Mit der Verpflichtung des Katalanen Joan Cañellas ist den Kadetten vor einigen Monaten der wohl grösste Transfercoup ihrer Klubhistorie gelungen. Und auch der spanische Star ist froh, dass er hier ist.
Die Handballwelt staunte im vergangenen März nicht schlecht, als die Kadetten Schaffhausen die Verpflichtung von Joan Cañellas bekannt gaben. Der spanische Weltklassehandballer ist einer der grössten, wenn nicht gar der grösste Name, der je in der Schweizer Liga aufgelaufen ist. Cañellas hat in seiner Karriere ausschliesslich bei absoluten Topklubs gespielt: FC Barcelona, Ciudad Real (danach Atlético Madrid), HSV Hamburg, THW Kiel, HC Vardar Skopje, und zuletzt auch bei Pick Szeged in Ungarn – wobei er quasi alle wichtigen nationalen Titel in den entsprechenden Ligen einheimsen konnte. Und nicht zuletzt darf sich der 1,98 Meter grosse Rückraumspieler auch Welt- und mehrfacher Europameister nennen, und seit 2017 (mit Vardar) endlich auch Champions-League-Sieger. Mit 34 Jahren steht Cañellas nun zwar im Herbst seiner Karriere, gehört jedoch noch längst nicht zum alten Eisen. Seine Statistiken zuletzt bei Szeged und in der spanischen Nationalmannschaft belegen dies.
Den Ausschlag gaben drei Kriterien
Wieso also hat sich der grosse Joan Cañellas Reixach (der Name seiner Frau), wie er mit vollem Namen heisst, nun für die Kadetten entschieden? Es waren mehrere Faktoren, wie der Spanier beteuerte: In erster Linie wollte er wieder näher an seine Heimat Spanien rücken – Skopje (Nordmazedonien) und Szeged (Ungarn) waren zuletzt zu weit von der iberischen Halbinsel weg – zum anderen hatte die KadettenFührungsetage alles richtig gemacht. Cañellas erklärt: «Auf der Suche nach meinem neuen Klub hatte ich drei Kriterien: Ich wollte wieder näher zu Spanien sein. Zudem wollte ich ein Team, das entweder in einer starken Liga spielt, oder eines das regelmässig international spielt. Und schliesslich wollte ich eine möglichst schnelle Entscheidung des Klubs, weil ich Sicherheit für meine Zukunft haben wollte. In Spanien selbst gibt es für mich nur Barcelona, und deren Team war schon voll. Es musste also etwas anderes werden», so der Katalane aus dem 5000-Seelen-Ort Santa Maria de Palautordera, nahe Barcelona. Vor allem mit dem letzten Kriterium konnten die Kadetten den Überhandballer nach Schaffhausen locken. Cañellas mit seinen eigenen Worten: «Die Schweizer Liga ist sicherlich nicht so stark wie diejenige in Deutschland oder Frankreich. Aber die Kadetten spielen regelmässig in der Champions League oder in der EHL. Und während andere grosse Teams in der Coronapandemie mit Vertragsabschlüssen bis zum Saisonende zuwarten wollten, machten die Kadetten mir schon sehr früh ein Angebot und wir wurden uns schnell einig.» Ebenfalls in die Karten gespielt hat den Schaffhausern, dass sich mit Torhüter Ignacio «Nacho» Biosca bereits ein Spanier in ihrem Kader befindet. Er war und ist Cañellas erste Anlaufstelle bei Fragen: «Ich habe während der Klubsuche viel mit ‹Nacho› geredet, und er hat mir die Entscheidung einfach gemacht. Es ist allgemein wichtig, dass man jeweils einen Landsmann im Team hat, mit dem man sich in der Muttersprache verständigen kann. Wir verbringen auch jetzt viel Zeit miteinander», erklärt Cañellas, der aus seinen drei Jahren in der deutschen Bundesliga allerdings auch bereits ein sehr gutes Deutsch mitbringt.
Längerer Stop in Schaffhausen?
Cañellas hat bei den Kadetten einen Vertrag für zwei Jahre unterschrieben. Gut möglich aber, dass der Spanier – ähnlich wie sein Starvorgänger Gabor Csaszar – auch länger in der Munotstadt bleiben wird: «Der Plan meiner Familie ist es, länger als zwei Jahre hier zu bleiben. Es hängt aber nicht zuletzt auch etwas davon ab, ob meine Frau hier Arbeit finden kann», so der Vater von zwei kleinen Töchtern. Dessen Ehefrau hat einen Doktortitel in Mikrobiologie, ihr Job kam aufgrund der Sportkarriere ihres berühmten Ehemannes aber oft zu kurz. In Szeged zuletzt konnte sie nun aber an der Uni arbeiten. Wenn sie in der Schweiz eine ähnliche Anstellung findet, dann wäre dies optimal für die Familie Cañellas, um hier länger zu verweilen: «Schaffhausen ist toll, es ist sehr sauber, es hat eine schöne Altstadt, einige schöne Plätze am Rhein, und ich mag die Atmosphäre auf der Strasse. Es wäre wunderschön, die Kinder hier grosszuziehen», so Cañellas, der zuletzt ein Fan von Stein am Rhein wurde – und auf Twitter auch schon entsprechende Bilder gepostet hat. Auch vor seinem Engagement bei den Kadetten war der Katalane schon einige Male in der Schweiz zu Besuch, vor allem in Zürich und Luzern. Bald möchte er nun auch die Schweizer Berge erkundigen. Dazu war bislang aber noch keine Zeit, denn: «Ich bin ja schliesslich hier, um Handball zu spielen.»
Wieder für spanische Nati empfehlen
Etwas ungewohnt kämpft Cañellas, der in seiner Karriere bislang quasi nur Champions League gespielt hat, zurzeit mit den Kadetten um den Einzug in die EHL-Gruppenphase. Ein Verpassen des Turniers wäre eine Katastrophe für die Munotstädter, wie auch Cañellas meint: «Es ist klar, ich möchte mit den Kadetten alles gewinnen: Schweizer Meister, Cupsieger, Supercupsieger. Aber unser Kader ist viel zu gross, um nur um die nationalen Titel mitzuspielen. Es wäre für uns und vor allem für den Trainer enorm wichtig, dass wir auch international spielen können», so der linke Rückraum. Dass sich den Orangen ausgerechnet Fraikin BM Granollers in den Weg zu ihrem grossen Saisonziel stellt, dies ist wiederum eine ganz spezielle Angelegenheit für Cañellas. Granollers ist der Heimatverein des Katalanen und war auch dessen erste Station in seiner Profikarriere. Wie motiviert Cañellas ist, gegen seinen alten Verein zu spielen, hat er im Hinspiel in der BBCArena gezeigt, als er mit zehn Treffern zum Matchwinner des Spiels avancierte. Doch seine grosse Motivation kommt auch woanders her. Die spanische Nationalmannschaft soll nämlich wieder bei ihm anklopfen: «Ich will Granollers und ganz Spanien zeigen, was ich noch kann. Zuletzt verpasste ich Olympia wegen einer kleinen Verletzung. Unsere Nationalmannschaft hat trotzdem sehr gut gespielt (Bronzemedaille; Red.). Ich möchte zeigen, dass sie auf mich noch nicht verzichten können», so der 192-fache Internationale, der schon 500 Tore für die «Furia Roja» erzielt hat.
Dass Cañellas aber auch schon etwas an die Zeit nach seiner Karriere als Aktiver denkt, dies zeigt sich daran, dass er – wie eben auch Csaszar – auch als Assistenztrainer der NLB-Mannschaft der Kadetten Espoirs tätig ist. «Das ist kein Zufall, das stimmt. Ich möchte mir für die Zukunft alle Optionen offen behalten. Dazu gehört natürlich auch die Ausbildung zum Trainer beziehungsweise mein erstes Amt als Assistenzcoach. Zudem durfte ich in meiner Karriere immer von sehr guten Trainern profitieren. Ich möchte das Gelernte sehr gerne an die Jungen weitergeben», so der am 30. September 35 Jahre alt werdende Superstar.
Zwischenstopp Winterthur
Ehe die Kadetten-Equipe am Montag nach Granollers reist, wo am Dienstag das alles entscheidende Rückspiel stattfindet (Anpfiff 20.45 Uhr), ist noch ein Zwischenstopp in Winterthur einzulegen. Mit Schweizer Meister Pfadi haben die Orangen sowieso noch eine Rechnung vom Playoff-Final her offen. Vor allem für Neo-Kadett Marvin Lier, der sich neun Jahre lang das Trikot der Eulachstädter übergestreift hat, dürfte die Partie in der Axa-Arena eine ganz spezielle Angelegenheit werden (heute 17 Uhr). Wie viel Energie die Mannschaft von Trainer Adalsteinn «Adli» Eyjolfsson für die Partie aufwenden will, wird sich zeigen. Die Kräfte von Joan Cañellas dürften mit grosser Wahrscheinlichkeit aber geschont werden.
Quelle: Philipp Hagen, Kadetten Medienstelle